14.02.2022

Kreislaufwirtschaft in der Architektur

Das neue Umdenken.

Der Bausektor in der EU verursacht über 35 Prozent des gesamten Abfallaufkommens. Alleine in Deutschland fallen bei Errichtung, Umbau, Renovierung oder Abbruch von Bauwerken jährlich rund 200 Millionen Tonnen mineralischer Bauabfälle an (Quelle: Umweltbundesamt). Gleichzeitig werden Rohstoffe immer knapper. Die gebaute Umwelt ist ein Faktor, der einen großen Einfluss auf das Klima der Zukunft besitzt. Darauf gilt es zu reagieren und im Sinne des Klimaschutzes zu handeln!

Eine zirkuläre Bau- und Immobilienbranche im Sinne der Circular Economy führt Stoffe effizient in Kreisläufen, statt Abfälle zu erzeugen oder neue Ressourcen nutzen zu müssen. Materialien werden so eingesetzt, dass sie lange in Gebrauch bleiben und später mit Wert wieder- oder weiterverwendet werden können. Sowohl durch die Nutzung der bestehenden Bausubstanz innerhalb des Bauens im Bestand als auch durch die Wiederverwendung von Materialien im Neubau.

In der Kreislaufwirtschaft werden Wertstoffkreisläufe geschlossen und die Verschwendung von Ressourcen vermieden. Besonders für die Architektur ist das Thema der Zirkularität von hoher Wichtigkeit. Die Baubranche hat einen hohen Rohstoffbedarf. Die Ressourcen unseres Planeten sind jedoch begrenzt und werden immer knapper. Es ist daher nötig, bereits jetzt eine neue Haltung gegenüber diesen Rohstoffen zu entwickeln. Die Steigerung der Ressourceneffizienz ist ein entscheidender Schritt zum klima- und ressourcenschonenden Wirtschaften. Ziel sollte daher sein, Materialien nicht als Abfälle zu begreifen und die Circular Economy im Bau- und Immobiliensektor als Standard zu etablieren.

Ein ganzer Abschnitt des Koalitionsvertrags widmet sich dem zirkulären Wirtschaften. „So wollen wir auch im Gebäudebereich zu einer Kreislaufwirtschaft kommen“, hat die neue Regierung sich als Ziel gesetzt. Wie kann der Baubranche der Einstieg in eine ökologische Kreislaufwirtschaft gelingen?

Gebäude sollten als Material-Depots verstanden werden. Dort sind zahlreiche wertige Rohstoffe enthalten, die im Sinne von Urban Mining nach Gebrauch wieder herausgelöst werden können. Die neue Bundesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag die Einführung eines digitalen Gebäuderessourcenpasses angekündigt, um den Einstieg in eine Kreislaufwirtschaft weiter anzustoßen. Über die Plattform Madaster können Materialien, Produkte und Elemente, die in Bauobjekten verwendet werden, registriert und dokumentiert werden. Über diese Dateneingabe können Material-Passports für Gebäude generiert werden. Durch die Erfassung der registrierten Materialien und Produkte innerhalb eines Gebäudes können Wertigkeit sowie eine mögliche Wiederverwendung oder ein Recycling bestimmt werden. 

Verschiedene Services wie z.B. concular ermöglichen die Wiedereinbringung von Materialien. Auf dem Marktplatz für zirkuläre Baustoffe restado lassen sich Materialien einsehen und zur Wiederverwendung auswählen.

Was sind die derzeitigen Hürden der Kreislaufwirtschaft in der Baubranche? Ein wichtiger Faktor für die Wiederverwendung von Materialien setzt eine Garantie, Gewährleistung und Haftung der Recyclingprodukten voraus.

Diese Faktoren sind zum derzeitigen Zeitpunkt jedoch rechtlich noch nicht gelöst. Ein wichtiger und entscheidender Schritt für das nachhaltige Bauen im Sinne der Kreislaufwirtschaft ist folglich eine entsprechende Anpassung der Gesetzgebung.

Neben der Modifizierung von Bauprozessen gilt es, innovative Bauprodukte und Systeme zu entwickeln, die sich in ihre technischen und biologischen Kreisläufe teilen lassen. Beim Bau neuer Gebäude sollte der Rückbau im Hinblick auf die Rückführung der Baustoffe mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden (vgl. dena Sudie Gebäudereport 2022). Zirkuläres Bauen bedeutet in diesem Zuge auch, dass Unternehmen in Zukunft mehr Verantwortung für ihre Produkte übernehmen und eine Rücknahme möglich machen.

Um einen Anreiz für die Kreislaufwirtschaft in der Architektur zu bieten, sollten auch wirtschaftliche Vorteile in Betracht gezogen werden. Bei der Gebäudeplanung nach dem Cradle to Cradle®-Gedanken müssen bestehende Baustoffe in Wert gesetzt werden und Wertschöpfungsketten attraktiver gestaltet werden. Das kann z.B. bedeuten, dass dort Steuervorteile entstehen, wo eine höhere Ressourceneffizienz in der Bau- und Immobilienbranche umgesetzt wird. Entsprechende Förderungen, wie derzeit in der Beton- und Zementindustrie durch CO2-Zertifikate üblich, können weitere ökonomische Anreize für Investoren bieten. ESG in der Immobilienbranche wird immer wichtiger, zwangsläufig wird dies dazu führen, dass sich Institutionen stärker mit dem Thema ökologischer Bauweisen beschäftigen werden.

Zusätzlich werde Materialien teuerer und knapper (wie z.B. Sand) und die Nutzung von Sekundärstoffen wird schon bald unumgänglich sein.

Heutige Gebäude sollten folglich so entworfen werden, dass sie flexibel sind und sich einfach und sortenrein um- oder zurückbauen lassen, um eine mögliche Rückführung in das Ökosystem zu realisieren. Ein Trend im Neubau ist die Holzbauweise. Der Holzbau kann einen großen Beitrag leisten, ESG-konform zu bauen und besitzt als klimaneutrales Material die Eigenschaft, im Sinne der Zirkularität wieder in die Wertschöpfungskette eingebracht zu werden. Als Ambassadeur in der Koalition für Holzbau setzten wir uns dafür ein, dass die gesetzgeberischen Hürden überwunden werden und die Immobilienwirtschaft überzeugt wird, sich dem Thema Holzbau zu öffnen und breitenwirksam in Holzmodulbausweise zu bauen. Mit einem Team aus Wissenschaftlern, Brandschutzexperten, Planern, Architekten und Projektentwickler werden in der Koalition für Holzbau Leitbau-, Holzbau- und Rohstoffsicherungsstrategien erarbeitet.

Die Veranstaltung des Heuer Dialogs in Hamburg unter dem Themenschwerpunkt „Future Real Estate Cradle to Cradle. Wie kommen wir im Gebäudebereich zur echten Kreislaufwirtschaft?“ wird sich fundiert mit Fragen der Umsetzung der Kreislaufwirtschaft in der Immobilienbranche beschäftigen. Dieses Event macht es möglich, gebündelt Wissen zusammen zu tragen und neue Erkenntnisse und Denkanstöße zur Circular Economy im Planen und Bauen zu generieren – um eine Brücke zwischen Vision und innovativem Handeln zu schaffen!

Unser geschäftsführender Gesellschafter Marc Böhnke wird im Zuge dieser Veranstaltung auf dem Panel zur heutigen und zukünftigen Kreislaufwirtschaft in der Immobilienindustrie sprechen.

Donnerstag, 12. Mai 2022, 14:45 Uhr

PANEL Wie funktioniert Kreislaufwirtschaft heute und in fünf Jahren?

  • Wie verändern sich Planungs- und Bauprozesse?
  • Welche Partner und Partnerinnen brauchen Immobilienunternehmen?
  • Sind Subventionierungen oder Förderprogramme notwendig?
  • Kann CO2-Ersparnis bei der Zurückführung der Bausubstanz in die Kreislaufwirtschaft messbar werden?

Marc Böhnke, Geschäftsführer, greeen! architects GmbH
Edwin Meijerink, CEO, Delta Projektentwicklung & Management GmbH

Dr. Christina Raab, President & CEO, Cradle to Cradle Products Innovation Institute
Annabelle von Reutern, Head of Business Development, Concular UG

Andreas Rieger, Managing Director, Art-Invest Real Estate Management GmbH & Co. KG
MODERATION Elisabeth Broermann, Architektin, „Koordinatorin Öffentlichkeitsarbeit und Politik“, Architects for Future Deutschland e.V.

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