20.06.2022

Natürlicher Klimaschutz

Dach- und Fassadenbegrünung

Im Sommer ist das Klima in der Stadt deutlich wärmer und trockener als im Umland. Der urbane Lebensraum ist von Materialien wie Asphalt, Beton, Stein und Stahl geprägt, die sich aufheizen, Wärme speichern und langsam an die Atmosphäre abgeben. Etwa 44 Prozent der Siedlungs- und Verkehrsflächen sind in Deutschland aktuell versiegelt (Quelle: Umwelt Bundesamt). Eingriffe des Menschen in die natürliche Umwelt haben inzwischen ein solches Ausmaß angenommen, dass sie den Charakter eines eigenen geologischen Zeitalters aufweisen: dem Anthropozän. Heute sind große Teile unseres Planeten bereits mit anthropozänen Strukturen bedeckt. Natürliche Lebensräume werden durch den Menschen immer mehr verstädtert. Eine dichte Bebauung und engmaschige Verkehrswege schränken den Frischluftaustausch ein. Der Temperaturunterschied kann dabei in der Stadt im Vergleich zum Umland bis zu zehn Grad Celsius betragen (Quelle: NABU).

Einen positiven Einfluss auf diese Faktoren hat Grün an Gebäuden. Das Zusammenspiel zwischen Architektur und Begrünung folgt dabei einer langen Tradition, die bis in die Antike zurück reicht. Ein Beispiel sind die hängenden Gärten von Babylon, eines der sieben Weltwunder der Antike. Im Zeichen von Klimawandel und Nachhaltigkeitsanspruch führt heute eine neue „Hortitecture“ diese Tradition fort und definiert das Verhältnis von Architektur und Bepflanzung neu. Dabei beschreibt der Begriff der Hortitecture die Synergien zwischen Architektur und Pflanzenmaterial (der Begriff wurde geprägt durch die Architektin Almut Grüntuch-Ernst). Hortitecture geht architektonischen Strategien nach, die das Potenzial von Pflanzenmaterial im Entwurfsprozess aktivieren. Begrünte Dächer und Fassaden können den Auswirkungen der Versiegelung entgegenwirken und den Wasserhaushalt, die Luftqualität und das Klima verbessern. Pflanzen werden dabei ein integraler Bestandteil eines Gebäudes. Grün auf und am Gebäude erhöht die Luftqualität, filtert Staub, Schadstoffe, Lärm, Gerüche, erzeugt Sauerstoff, schützt vor Hitze und Kälte und wirkt sich körperlich und geistig positiv auf den Menschen aus. Zusätzlich bindet eine Dach- und Fassadenbegrünung genauso wie alle anderen Pflanzen Kohlendioxid und erzeugt dabei Sauerstoff. Ein weiterer positiver Effekt von einer Dachbegrünung ist die Verminderung von Staubaufwirbelungen durch die Reduzierung der vertikalen Luftbewegung der aufgeheizten Dachflächen. Zusätzlich dienen bepflanzte Dächer und Fassaden der Verschattung von Gebäuden. Das Grün bietet Lebensraum für Kleintiere und Pflanzen zur Förderung der Biodiversität. Bei Starkregenereignissen wird der Wasserrückhalt unterstützt und Regenwasser gespeichert, das langsam verdunstet und für Kühlung sort. Hitzeeffekte werden minimiert und die Gefahr einer Überschwemmung im Sinne einer Schwammstadt reduziert. Ebenfalls erhalten die Gebäude durch eine umfassende gestaltprägende Begrünung eine ästhetische Aufwertung und die Lebensdauer der Dachhaut wird verlängert.

Unterschieden werden kann zwischen extensiver, intensiver und vertikaler Begrünung.

Extensive Gründächer haben vorwiegend eine geringe Aufbauhöhe und eine flache Substrattiefe. Extensive Begrünung ist leichter und kann auf vielen Dächern auch nachträglich realisiert werden. Für die Bepflanzung werden hauptsächlich einheimische und niedrigwüchsige Pflanzen wie Gräser und Sedum verwendet, die längere Trockenzeiten und niedrige Substrathöhen gut vertragen.

Intensive Dachbegrünung besitzt eine vergrößerte Aufbauhöhe und eignet sich für flache bis leicht geneigte Dächer. Durch die tiefere Substratschicht können höhere, mehrjährige Stauden und Gehölze gepflanzt werden. Diese aufwendige Begrünung besitzt einen erhöhten Pflegeaufwand und einen höheren Anspruch an die Statik.

Die vertikale Begrünung als gestalterisches Element der Fassade nutzt unterschiedliche Systeme, um Pflanzen auf einem vertikal befestigten Untergrund wachsen zu lassen. Die vertikale Begrünung kann freistehend oder an einer Wand befestigt sein.

Das Land NRW stellt ein Gründachpotenzialkataster zur Verfügung. Mit diesem kann geprüft werden, ob Dächer bezüglich der Dachneigung für eine Begrünung nutzbar sind. Über das Gründachpotenzialkataster können die potenziellen Vorteile eines Gründachs auf den ausgewählten Dachflächen angezeigt werden. Neben der Fläche geht bei einigen Parametern auch die Substratdicke in die Berechnung mit ein. Mehr Informationen zum Gründachpotenzialkataster NRW gibt es hier.

Verschiedene Förderprogramme unterstützen bei der Gebäudebegrünung. Mit dem Förderprogramm Dach-, Fassaden- und Innenhofbegrünung (DAFIB) unterstützt die Landeshauptstadt Düsseldorf Wohnungseigentümer, Gewerbetreibende und Urbane Gärtner. Beispiele für die Dach-, Fassaden- und Innenhofbegrünung der Stadt Düsseldorf sind ebenfalls abrufbar. Hier gibt es mehr Informationen.

Die Initiative „Mehr Grün am Haus – Spür das bessere Klima“ der Verbraucherzentrale NRW möchte Verbraucher*innen mit einem breiten Veranstaltungsprogramm motivieren, Häuser zu begrünen. Hier geht es zur Initiative.

Die Symbiose von Architektur und Grün gehen einer langen Tradition nach. Diese Tradition gilt es weiter zu verfolgen und intelligent weiterzuentwickeln. In der Stadtentwicklung sollten vor allem Ansätze verfolgt werden, die den gebauten Raum als synergetisch funktionierendes Ökosystem für Mensch und Natur begreifen. Für eine resiliente, zukunftsfähige gebaute Umwelt!

 

Buchtipp:
Hilde Strobl, Peter Cachola Schmal und Rudi Scheuermann (Hrsg.): Einfach Grün, Greening the City, Frankfurt am Main, 2021.
Almut Grüntuch-Ernst, IDAS Institute for Design and Architectural Strategies (Hrsg.): Hortitecture, Berlin 2018.

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